Andreas Hochholdinger, PUNKT 2/87

Andreas Hochholdinger, PUNKT 2/87

Die letzten Songs der „Theos“ pur („Getragen vom Wind“) wurden von einer Diaschau optisch untermalt. Einem ausgefuchsten Videoclip-Fan mag das zwar hausbacken erscheinen, die Art und Weise aber, wie Farbfiltereffekte, Überblend- und Verfremdungseffekte kreativ eingesetzt wurden, ist wohl einmalig.

Andreas Hochholdinger

Da wird’s einem schon ein bisserl schwer ums Herz: Die „Theos“, wie die „Theophiles“ kurz genannt werden, nahmen nach 15jähriger Konzerttätigkeit in einer zweiwöchigen Tournee Abschied von ihren Zuhörern.

Um die erwartungsvolle Spannung zu steigern, eröffneten „Damaris Joy“ den Abend. Zum Glück fiel aber das Zuhören und Warten leicht, denn als die Siegener in ihrem ersten Song in Bad Windsheim fragen „Do you believe in miracles?“, grenzte vieles fast an ein Wunder: mit knapp 50 Scheinwerfern wurden die kraftvoll souligen und melodischen Rocksongs optisch in Szene gesetzt. Hut ab, denn hinter der gesamten Tournee steckte eine ausgeklügelte Organisation und am Mischpult saß ein Mixer mit Fingerspitzengefühl.

Nach gut einer Stunde solidem Mainstream-Rock und einer kurzen Pause traten die drei Goldkehlchen – zwar leicht verschnupft und stimmlich angekratzt – wie gewohnt gut gelaunt ins Rampenlicht. Was dann folgte, war die diejenigen, die „Theophiles“ zum ersten und leide letzten Maile live erlebten, „Kaum zu glauben“, für alte Hasen war’s nicht „Nur ein Relikt“ aus vergangenen Jugendgruppenzeiten, sondern wie immer ein Anlass zu offenen Mündern und großen Augen:

PUNKT 2/87

Brillant dargebotener dreistimmiger Falsettgesang, der keine Höhen scheut.

Mit seinen witzig trockenen Liedansagen und Vorstellungen schoß Bernd Primke den Vogel ab; der immerjunge Christoph Kolbe wiegte sich ungekünstelt lässig im Takt, und als Manfred Primke völlig unspektakulär von der Explosion im Thai-Airbus im Oktober 198 erzählte, hörte man die sprichwörtliche Stecknadel fallen. Das war seit eh und je eine der besonderen Gaben dieser Musiker: Ihre Zuhörer in eine tiefe Stille führen zu können.

Die letzten Songs der „Theos“ pur („Getragen vom Wind“) wurden von einer Diaschau optisch untermalt. Einem ausgefuchsten Videoclip-Fan mag das zwar hausbacken erscheinen, die Art und Weise aber, wie Farbfiltereffekte, Überblend- und Verfremdungseffekte kreativ eingesetzt wurden, ist wohl einmalig.

Fast unmerklich der Übergang von einem Teil des Konzerts zum anderen, denn schon standen Damaris Joy wieder auf der Bühne und legten zusammen mit dem Trio einen astreinen Plattensound hin. Endlich war das zu fühlen und zu hören, was man so lange bei den „Theos“ zu missen glaubte: ein Bass. Erst nach einigen Zugaben durften die frischen Folkies ihr Konzert beschließen, das Jubiläum und Abschied zugleich war. Ein Abend, den ich mit einem lachenden, vor allem aber mit einem weinenden Auge erlebte.

Andreas Hochholdinger